Die Auswirkungen des Klimawandels sind längst Realität. Hitzerekorde, Starkregen und steigende Meeresspiegel machen deutlich, dass ein „Weiter so“ nicht mehr tragbar ist. Besonders im Bausektor besteht dringender Handlungsbedarf. Dieser Sektor ist für rund 40 Prozent der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich, verschlingt enorme Mengen an Rohstoffen und produziert jährlich Millionen Tonnen an Bauabfällen. In dieser Lage sind innovative und nachhaltige Ansätze entscheidend, um den Wandel zu einer klimafreundlichen Wirtschaft zu gestalten. Ein bemerkenswertes Beispiel dafür ist das Münchner Startup HopfON, das mit nachhaltigen Baumaterialien aus Hopfenabfällen neue Maßstäbe setzt.
Innovation aus Abfall – Die Idee hinter HopfON
Entstanden aus einem inspirierenden Vortrag über Bananenfasern, entwickelte sich die Idee zu HopfON an der TU München. Die Architekturstudentin Marlene Stechl und der Bauingenieur Thomas Rojas Sonderegger begannen, die Potenziale landwirtschaftlicher Abfälle zu erforschen. Konkret hatte er dabei die Reststoffe aus dem Hopfenanbau im Blick. In der Hallertau, dem größten Hopfenanbaugebiet der Welt, fällt jedes Jahr eine große Menge ungenutzter Pflanzenreste an. HopfON macht daraus Akustikpaneele und Dämmstoffe, ganz ohne künstliche Bindemittel, vollständig rückführbar und kreislauffähig.
HopfON überzeugt: Nachhaltigkeit trifft Hightech
Die Produkte von HopfON sind nicht nur umweltfreundlich, sondern auch technisch durchdacht. Sie bieten eine echte Alternative zu konventionellen Materialien, die oft auf petrochemischer Basis beruhen. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Marktreife war der Praxistest der Akustikpaneele im Sustainable Building Lab in Mannheim. Dort wurden die Materialien unter realen Bedingungen erfolgreich erprobt. So konnte der geplante Markteintritt für 2024 wie vorgesehen umgesetzt werden. Inzwischen plant das Unternehmen bereits die Expansion in weitere Märkte.
Die Nähe zur Hallertau garantiert eine stabile Rohstoffversorgung, und die enge Einbindung in das TUM-Ökosystem etwa durch Förderprogramme wie den TUM IDEAward oder den TUM Booster Grant verschafft dem jungen Unternehmen Zugang zu Know-how, Netzwerken und Kapital.
Nachhaltigkeit in der Bauindustrie
Der Fall HopfON zeigt exemplarisch, welches Potenzial in innovativen Gründungsideen steckt, wenn es darum geht, die Bauindustrie, einen der klimaschädlichsten Sektoren überhaupt, zukunftsfähig zu gestalten. Dabei geht es nicht allein um technische Innovation, sondern um ein ganzheitliches Umdenken entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Bauens. Die Bedeutung solcher Ansätze lässt sich anhand zentraler Aspekte der Nachhaltigkeit verdeutlichen:
Ressourcenschonung
Die Bauwirtschaft zählt zu den größten Verbrauchern natürlicher Rohstoffe weltweit. Klassische Baumaterialien wie Beton, Stahl oder Kunststoffe basieren auf endlichen Ressourcen, deren Gewinnung häufig mit erheblichen Umweltbelastungen einhergeht. Nachhaltige Alternativen, wie die aus Hopfenabfällen gewonnenen Produkte von HopfON, nutzen dagegen nachwachsende Rohstoffe oder industrielle Nebenprodukte. Dadurch wird nicht nur der Verbrauch fossiler und mineralischer Ressourcen reduziert, sondern auch die ökologische Belastung durch Abbau, Transport und Verarbeitung deutlich verringert.
CO₂-Reduktion
Ein erheblicher Anteil der weltweiten CO₂-Emissionen entsteht durch Herstellung und Nutzung von Baustoffen. Konventioneller Zement beispielsweise ist für rund acht Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Der Einsatz klimafreundlicher Materialien, wie sie HopfON entwickelt, kann hier einen entscheidenden Beitrag leisten. Indem CO₂-intensive Prozesse vermieden und emissionsarme Alternativen gefördert werden, trägt nachhaltiges Bauen aktiv zur Erreichung der Klimaziele bei.
Kreislaufwirtschaft
Ein zentrales Problem des heutigen Bauens ist die Linearität: Materialien werden produziert, verbaut und am Ende entsorgt. Dies führt zu wachsenden Deponiemengen und einem enormen Abfallaufkommen. Kreislauffähige Baustoffe, wie sie HopfON anstrebt, ermöglichen hingegen eine Rückführung in den Produktionsprozess. Durch sortenreine Trennung, Wiederverwendbarkeit und biologische Abbaubarkeit kann aus einem Abfallprodukt ein neuer Rohstoff entstehen. Ein Prinzip, das Deponien entlastet und Ressourcen langfristig schont.
Energieeffizienz
Ein weiteres wesentliches Argument für nachhaltiges Bauen liegt in der energetischen Optimierung von Gebäuden. Hochwertige, ökologische Dämmstoffe leisten einen Beitrag dazu, Heiz- und Kühlenergie zu reduzieren, insbesondere in Zeiten steigender Energiekosten und knapper Ressourcen. Materialien auf Pflanzenbasis bieten dabei oft nicht nur gute Dämmeigenschaften, sondern auch Vorteile bei Feuchtigkeitsregulierung und Raumklima, was sich wiederum positiv auf die Gebäudenutzung auswirkt.
Gesundheit und Komfort
Die Qualität eines Gebäudes bemisst sich nicht allein an Energiekennwerten oder Baukosten, sondern zunehmend auch an gesundheitlichen und wohnklimatischen Faktoren. Schadstoffarme oder -freie Baustoffe, wie sie bei HopfON zum Einsatz kommen, vermeiden Emissionen von flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) und tragen zu einem besseren Raumklima bei. Gerade für sensible Nutzergruppen, etwa Kinder, ältere Menschen oder Allergiker, ist dies von großer Bedeutung. Gleichzeitig steigt mit dem Komfort auch der gesellschaftliche und wirtschaftliche Wert eines nachhaltigen Gebäudes.
Klimaziele erreichen – mit Innovation und Unternehmergeist
Deutschland hat sich verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu sein. Ein ambitioniertes, aber notwendiges Ziel. Um dies zu erreichen, braucht es nicht nur politische Vorgaben, sondern auch unternehmerische Initiativen, wie sie HopfON zeigt. Die Kombination aus lokalem Rohstoff, intelligenter Produktentwicklung und nachhaltigem Geschäftsmodell bietet ein Beispiel dafür, wie Klimaschutz, Innovation und wirtschaftlicher Erfolg Hand in Hand gehen können.
Wandel beginnt lokal, braucht Visionen und unternehmerischen Mut
Der Klimawandel verlangt neue Denkweisen. Besonders in Branchen, die traditionell als ressourcenintensiv gelten. HopfON zeigt, dass nachhaltiges Bauen kein theoretisches Konzept ist, sondern gelebte Praxis sein kann. Das Startup beweist, dass Kreislaufwirtschaft, Innovationsgeist und regionale Wertschöpfung sich nicht ausschließen, sondern gegenseitig stärken können. Wenn es gelingt, solche Ansätze zu skalieren, ist die Bauwende nicht nur möglich, sondern wirtschaftlich attraktiv. Und leistet einen notwendigen Beitrag zum Schutz der Gesellschaft vor den Auswirkungen der Klimakrise.
Quellen
- TUM: Hopfen als kreislauffähiges Baumaterial
- DGNB: Studentischer Sonderpreis HopfON
- MediaTUM: HopfON Dokumentation
- WorldGBC: Health & Wellbeing Framework
- Environmental Health: Healthy Buildings Briefing