Die CDU/CSU will Klimaneutralität bis 2045 und hinterlässt gleichzeitig verbrannte Erde. Wer den Koalitionsvertrag aufmerksam liest, stößt auf ein Sammelsurium aus Technologie-Buzzwords, fossilen Rückschritten und einem gefährlich vagen „Weiter so“. Der größte Mythos dabei: Mit ein bisschen Ladeinfrastruktur, Wasserstoff-Rhetorik und Milliarden aus dem Klima- und Transformationsfonds sei die Energiewende geschafft.
Doch so einfach ist es nicht. Das zeigt nicht zuletzt die renommierte Energieökonomin Claudia Kemfert, die die Pläne der neuen Koalition in Teilen als „klimapolitisch rückwärtsgewandt“ entlarvt.
Klimaschutz mit großen Worten und kleinen Taten
Im Koalitionsvertrag bekennt sich die CDU/CSU zur Klimaneutralität. Doch was folgt, ist eine Einladung zum Greenwashing: Statt verbindlicher Ziele setzen Union und SPD auf „Technologieoffenheit“. Übersetzt heißt das: Subventionen für Gaskraftwerke (20 GW!), keine Rede vom Tempolimit, Weiterführung des Dienstwagenprivilegs, Agrardieselrabatte – und das alles finanziert aus dem Klima- und Transformationsfonds.
Claudia Kemfert warnt eindringlich vor dieser Strategie: Sie spricht von einer „Subventionierung per Gießkanne“, warnt vor Fehlallokationen, also der falschen Verteilung von öffentlichen Geldern in wenig wirksame oder sogar klimaschädliche Bereiche. Ein Beispiel: Die geplante Senkung der Stromsteuer kostet über 10 Milliarden Euro jährlich – ohne dass eine einzige Kilowattstunde mehr aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird. Stattdessen profitieren Unternehmen mit hohem Stromverbrauch, während Investitionen in Wärmewende, Gebäudesanierung oder den Ausbau des Schienenverkehrs auf der Strecke bleiben.
Klimaschutz braucht klare Kante, keine Klientelpolitik
Wer ernsthaften Klimaschutz betreiben will, muss gezielt dort investieren, wo der Hebel am größten ist – und dabei soziale Gerechtigkeit mitdenken. Claudia Kemfert betont immer wieder, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht nur beschleunigt, sondern mindestens verdreifacht werden muss. Doch statt klarer Signale für Wind- und Solarprojekte zu setzen, setzt die CDU/CSU auf politische Unsicherheiten, lähmende Bürokratie und gigantische Investitionen in neue Gaskraftwerke – eine Strategie, die den Fortschritt eher bremst als beflügelt. Auch im Gebäudesektor, einem der größten Emittenten, bleibt der notwendige Impuls aus.
Die geplante Abschaffung des sogenannten „Heizungsgesetzes“ und die grundlegende Reformierung Gebäudeenergiegesetz (GEG) ist ein klimapolitischer Offenbarungseid. Das Gebäudeenergiegesetz regelt, wie in Neubauten und bei Sanierungen künftig geheizt werden darf. Ziel war und ist es, den CO₂-Ausstoß im Gebäudesektor drastisch zu senken. Besonders in den Fokus rückte das Gesetz durch die Vorgabe, dass ab 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Diese Maßnahme sollte den Umstieg auf klimafreundliche Heiztechnologien wie Wärmepumpen, Solarthermie oder Fernwärme anstoßen.
Die Union hat die Diskussion unsachlich aufgeheizt und will jetzt diese Vorgaben kippen und das Gesetz durch eine „marktoffenere“ Lösung ersetzen. Ein Schritt, der von Expert:innen wie Claudia Kemfert scharf kritisiert wird. Denn damit würden dringend notwendige Sanierungen weiter hinausgezögert, statt verlässlich angestoßen. Was fehlt, sind sozial gestaffelte Sanierungsprogramme, wie sie Kemfert fordert, damit auch einkommensschwache Haushalte an der Wärmewende teilhaben können. Doch von gezielter Unterstützung fehlt in den Plänen jede Spur. Und im Verkehrssektor? Statt wirksamer Sofortmaßnahmen wie einem Tempolimit, einem 29-Euro-Deutschlandticket oder dem Ausbau des Nahverkehrs setzt die CDU/CSU auf klimaschädliche Subventionen. Die Pendlerpauschale wird erhöht, Dienstwagen weiterhin bevorzugt behandelt. Was bleibt da für den Klimaschutz?
Milliarden sind nicht gleich Maßnahmen
Das oft zitierte „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro klingt zunächst nach einem kraftvollen Signal für den Klimaschutz. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass es bei Weitem nicht ausreichend ist, um die Transformation wirklich voranzutreiben. Verteilt über zwölf Jahre bleiben gerade einmal rund 8,3 Milliarden Euro pro Jahr. Ein Bruchteil dessen, was tatsächlich gebraucht wird. Denn allein die staatliche Finanzierungslücke bis 2045 wird auf bis zu 800 Milliarden Euro geschätzt. Das bedeutet: Für jeden Euro, der laut Experten bis 2045 nötig wäre, stellt die Bundesregierung aktuell gerade einmal rund zwölf Cent zur Verfügung.
Claudia Kemfert fordert daher völlig zu Recht eine Reform der Schuldenbremse sowie den konsequenten Abbau klimaschädlicher Subventionen, wie dem Dieselprivileg oder der überholten Pendlerpauschale. Denn obwohl prinzipiell Mittel vorhanden wären, fließen sie heute oft in die falschen Kanäle – in Klientelpolitik statt in systemrelevante Infrastruktur. Ohne diese Kurskorrektur bleiben die Klimaziele kein politischer Gestaltungsplan, sondern ein frommes Versprechen ohne Substanz.
Klimaneutralität braucht Mut, nicht Mauschelei
Der Koalitionsvertrag wirkt wie ein Rückzugsgefecht gegen die Realität. Die Klimaziele bis 2045 stehen auf Papier. Doch wer die aktuellen Pläne liest, erkennt schnell, dass es an allem fehlt, was dafür notwendig wäre. Es fehlen Verbindlichkeit, durchdachte Finanzierung, aber vor allem an Mut. Statt einer klaren politischen Führung erleben wir das Comeback fossiler Denkweisen, getarnt als „Technologieoffenheit“ und „Reformen“. Ein Gebäudeenergiegesetz ohne verbindliche Vorgaben, ein Verkehrskonzept ohne Tempolimit, gepaart mit klimafeindlichen Subventionen ist keine Klimastrategie, sondern eine Einladung zum Scheitern.
Die Klimakrise lässt sich nicht mit kosmetischer Politik aufhalten. Wer heute stillhält, wird morgen erklären müssen, warum eine lebenswerte Zukunft auf dem Altar parteipolitischer Taktik geopfert wurde. Und warum wir, als mündige Bürger diesem Opfer zugestimmt haben.
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